Antiquariat Büchel-Baur

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Erstes handschriftliches Gedicht (Titel verso):

 

Ein Lobgedicht auf die beiden Strozzi, geschrieben nach dem Tod beider.

 

 

 

 

 

 


 

Es lautet:

 

                        In Strociorum poetarum patris, ac filii decus

                                                                                                     Daniel Finus

 

                             Hic patris, et nati gemino liber unicus horto

                                  Delicium floris versicoloris habet.

                             Sic genitor calybem cudit: sic follibus ignem

                                  Nutrit, et alterna fert vice natus opem.

                             Qua Titus, Alcides praecinxit tempora lauro:

                                  Quas pater, Aonias filius hausit aguas.

 

Dieses unvergleichliche Buch des Vaters und des tüchtigen Sohnes hat die Eleganz eines vielfarbigen Blumengewindes aus einem Zwillingsgarten. Wie der Vater das Eisen schlägt: so nährt der Sohn das Feuer durch die Blasebälge; wechselweise entsteht das Werk. Wie Titus, der Vater, sich mit Lorbeer umwindet, schöpft der Sohn aus den Musenquellen.

 

Nach unseren Recherchen ist dieses Gedicht erstmalig 1916 veröffentlicht worden, A. della Guardia nennt es in diesem Zusammenhang zu Recht eine Art Grabschrift ("come epitafio" [ S. LIX]).

 

Daniele Fini,

 

  1. geb. 1460 in Ferrara, gest. um 1550 ebda., Sohn des Orientalisten und fürstlichen Rats Fino "Hadrianus" Fini, gab 1538 das Hauptwerk seines Vaters heraus: "In Juaeos flagellum ex sacris Scripturis excerptum" (Brunet II, 1262). Wie sein Vater übernahm er politische Funktionen in seiner Heimatstadt ( Kämmerer und Universitätskanzler), war umfassen gebildet (Pasquazi: "Buon filosofo, oratore, poeta latino, esperto nella scienza di geometria e con qualche talento nella pittura, mostrò anche una particolare capacità nei vari incarichi pubblici che gli furono affidati" [Poeti estensi S. XXI]); gerade die zuletzt erwähnte Fähigkeit in der Erledigung von ihm übertragenen öffentlichen Aufgaben - v.a. wohl das Kämmerer- und Kanzleramt - war ihm aber offentlichlich mehr Last als Erfüllung, denn sein Hauptinteresse galt der Literatur.
  2. Seine eigene schriftstellerische Tätigkeit bestand überwiegend im Verfassen von lateinischen und italienischen Gedichten (s. neben Pasquazi auch: Michaud XIV, 138 und Barotti / Barotti / Baruffaldi: Memorie istoriche de letterati Ferraresi. Bd. I. S. 133 ff).  Pasquazi nennt verschiedene Themen, um die sich seine Lyrik drehte: Klagen über die Verwaltungsaufgaben, eine ironisch-distanzierte Beschäftigung mit Fragen der Magie und der Astrologie; er stand den aufkommenden naturwissenschaftlichen Herangehensweisen an Probleme und Fragestellungen näher. Dichtungstheoretisch setzt Pasquazi ihn als typischen Vertreter seiner Zeit in die Reihe der Verehrer antiker Vorbilder, v.a. von Aristoteles und von Horaz; viele seiner Gedichte hatten konkrete, häufig alltägliche Anlässe; auch religiöse Themen finden sich, v.a. auf Maria bezogene. Außerdem war er ein Bewunderer des Ferrareser Malers Ercole Grandi.

Dass es eine enge Verbindung zwischen Fini und den Strozzi gegeben hat, sieht man z. B. an der Tatsache, dass der auf Bl. 134 verso beginnende Sermon des älteren Strozzi ihm, Fini, gewidmet ist, und dass umgekehrt er in einem neunstrophigen Gedicht jede der olympischen Musen ein Loblied auf Tito Strozzi singen lässt (Pasquazi S. 111/112). Das Gedicht in unserem Exemplar ist ganz in der Art dieser Strophen gestaltet, und es befindet sich nach Auskunft der Biblioteca Ariostea Communale in Ferrara in dem Codex mit Fini-Handschriften (Blatt 50 verso), aus dem auch Pasquazi alle Fini-Texte entnommen hat (Antonelli S. 211, Nr. 437; della Guardia S. LVIII).

Nicht zuletzt der Drucker, Aldus Manutius, bezeichnet Fini als jemanden, der eng mit beiden Strozzi verbunden war ("Titus et Hercules Strozzae olim tui familiares summi" [Antonelli S. 211, della Guardia S. LVIII]).

Der Zusammenhang mit dem Lobgedicht auf Aldus Manutius wird in der Handschrift ebenfalls hergestellt: beide Gedichte befinden sich auf dem gleichen Blatt, das eine recto (s. Pasquazi S. 95), das andere verso.

 

Literatur:

 

J.-Ch. Brunet, Manuel du librairie et de l'amateur des livre...9 Bde. Neudruck Kopenhagen 1966.

 

S. Pasquazi, Poeti estensi nel rinascimento. Florenz ²1966.

 

G. A. Barotti / L. Barotti / G. Baruffaldi, Memorie istoriche de letterati Ferraresi. 3 Bde. Neudruck Bologna o. J.

 

J. Fr. Michaud, Biographie universelle ancienne et moderne. 45 Bde. Nachdruck Graz 1966 – 70. 

 

G. Antonelli, Indice dei manoscritti della civica biblioteca di Ferrara. Parte Prima (= alles). Ferrara 1884.

 

Della Guardia, A.:Tito Verspasiano Strozzi. Poesie latine tratte dall'Aldina e confrontate coi Codici. Modena 1916.